Eine kraftvolle Geburtserfahrung
Unbewusst schien ich am Tag vor Manus Geburt gespürt zu haben, dass es in wenigen Stunden so weit sein würde. Ich packte die Kliniktasche zuende und stellte sie bereit zum Mitnehmen auf den Wickeltisch. Dann machte ich einen langen Waldspaziergang, viel länger als sonst. Dabei rief ich zwei Freundinnen an, mit denen ich länger nicht gesprochen hatte, und erzählte ihnen, wie überrascht ich war, als am 21.10. nichts passierte, schließlich war Mian auch 5 Tage vor dem ET zur Welt gekommen und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es bei Manu länger dauern würde. Zuhause schrieb ich einen Brief an Manu, darüber, wie wir uns auf ihn freuen und dass der Zeitpunkt, an dem er zu uns kommen wird, perfekt sein wird, weil es der Zeitpunkt sein wird, den er sich selbst aussucht. Kurz nachdem ich mich gegen 23.30 Uhr ins Bett legte, spürte ich eine Bewegung des Babys, als hätte es sich einmal um die eigene Achse gedreht, sich weiter nach unten geschraubt. Ich dachte mir nichts weiter dabei, doch als Manu sich nach einiger Zeit wieder auf die gleiche Weise drehte, wechselte ich die Liegeposition, weil das Gefühl im Liegen auf der Seite unangenehm war. Als Leo ins Bett kam, sagte ich nichts; schließlich wusste ich ja noch von Mians Geburt, wie sich der Geburtsbeginn anfühlt, und das hier war ganz anders. Ich beobachtete weiter die wiederkehrenden, sich nach unten schraubenden Bewegungen des Babys und behielt die Uhrzeit im Blick. Mehr oder weniger alle 10 Minuten, aber nicht wirklich regelmäßig. Nach einer halben Stunde weckte ich Leo, sagte, es könne sein, dass es jetzt soweit ist, aber ich sei mir nicht sicher. Wir gingen ins Wohnzimmer, um Mian nicht zu wecken, wo wir die Wellen weiter beobachteten und überlegten, ob wir nun meine Eltern anrufen sollten oder nicht, damit sie kommen, um auf Mian aufzupassen. Vorsichtshalber, meinte Leo, vielleicht sind sie noch wach. Er rief sie an und noch während er sagte, dass es vielleicht soweit sei, wir uns aber nicht sicher seien, spürte ich eine intensivere Welle und war mir nun sicher, dass die Geburt begonnen hatte. Ich unterbrach Leo und sagte, er solle meine Eltern bitten, jetzt loszufahren. Wir hörten die Regenbogenentspannung und die Geburtsaffirmationen, und bei jeder Welle stützte ich mich auf einer Stuhllehne ab und bat Leo, mein Kreuzbein zu massieren bzw. dagegen zu drücken. Als meine Eltern eine Stunde später da waren, war der Wellenabstand bereits bei fünf bis drei Minuten und wir machten uns sofort auf den Weg ins Krankenhaus. Als beim Schuhe zubinden eine Welle kam, band mir mein Vater netterweise den zweiten Schuh zu. Auf dem Weg zum Auto mussten wir mehrmals stehenbleiben und ich hielt mich an einem Zaun und später am Auto fest, um die Wellen zu veratmen. Im Auto wurden die Wellen noch intensiver, was in der sitzenden Position sehr unangenehm war. Sobald wir das Krankenhaus betreten hatten und vor der Rezeption standen, gab es kaum noch Pausen zwischen den Wellen. Ich musste mich am Tresen festhalten und der Rezeptionist rief eine Hebamme an, die mich mit einem Rollstuhl abholte. Als wir den Kreissaal betraten, war es 3 Uhr. Ich schaffte es noch, auf Toilette zu gehen und ein Glas Wasser zu trinken, dann wurden die Wellen so stark, dass ich schreien musste, um sie auszuhalten. Die Hebamme und die Ärztin legten einen Venenzugang und fragten, ob ich Schmerzmittel wolle. Leo wollte schon wie geplant ablehnen, aber ich sagte ja, bitte, denn ich war nicht bereit, nochmal unter so großen Schmerzen zu gebären wie bei meiner ersten Geburt. Die Wellen kamen nun ununterbrochen und die Hebamme fragte etwas überrascht, ob ich schon das Gefühl habe, mitschieben zu wollen. Ja, hatte ich. Ich kniete mich auf den Gebärstuhl und hielt mich seitlich an den Griffen fest, während Leo immer weiter mein Kreuzbein massierte. Leo und die Hebamme zogen mir die Hose und Schuhe aus, was bei dem Schuh, den mein Vater – sehr fest – zugebunden hatte, ziemlich schwer ging. Kurz darauf ging die Fruchtblase auf. Die Hebamme ertastete die Öffnung des Muttermundes und stellte – wieder überrascht – fest, dass der Muttermund offen sei. Kurz darauf spürte ich beim Mitschieben ein leichtes Brennen, und der Kopf war geboren. Jetzt breitete sich eine tiefe, entspannte Ruhe in mir aus. Die Hebamme fragte, ob nicht noch eine Welle käme, und ich sagte nein, im Moment nicht. Es dauerte eine Weile, dann war auch der Körper geboren. Die Hebamme legte den weinenden Manu vor mich auf den Gebärstuhl, sodass ich ihn selbst hochnehmen und mir auf die Brust legen konnte. Dort hörte er sofort auf zu weinen, lag friedlich in meinen Armen und schaute sich eine Weile um, bevor er sich auf die Suche nach der Brust machte und sie eigenständig fand. Als die Nabelschnur auspulsiert war, durchtrennte Leo sie. Nach einiger Zeit kamen weitere leichte Wellen, und die Plazenta war geboren. Die Ärztin nähte eine kleine Verletzung, die daher kam, dass Manu bei der Geburt seine Hand an die Wange gehalten hatte. Dann ließen die beiden uns allein; wir sollten uns melden, wenn wir sie brauchten. Ich fühlte mich kaum erschöpft, vielmehr spürte ich ein kraftvolles Glühen in meinem Inneren. Wir meldeten uns, als ich nach 1 ½ Stunden auf Toilette gehen wollte. Ich fühlte mich so energievoll, dass ich fast vom Gebärstuhl heruntergesprungen wäre. Die Hebamme bemerkte das und meinte, ich solle doch besser warten, bis sie ihn heruntergefahren habe. Ich fragte sie, ob ich eigentlich das angebotene Schmerzmittel bekommen hatte, und sie sagte, sie hätten mir etwas Paracetamol gegeben, aber das sei wohl vor der Geburt nicht mehr angekommen. Ich fragte auch, wie Manus Herztöne während der Geburt waren. Sie seien wohl nur etwas schneller geworden, als die Fruchtblase aufging, sonst sei er ganz entspannt gewesen. Das zeigt sich auch an seinem Charakter: Er ist ein absolut entspanntes, ruhiges und zufriedenes Baby. Die Hebamme schlug vor, dass wir am selben Tag nach Hause fahren könnten, und ich stimmte sofort zu. Ich fühlte mich so gut, dass ich keine Lust hatte, längere Zeit als nötig in einem Krankenhausbett zu verbringen. Wir kamen auf ein Zimmer, wo ich einige Zeit am Fenster stand und in die Nacht hinausschaute, während Manu auf Leos Brust schlief.
Nachdem einige Stunden später der Papierkram erledigt war und wir endlich den Entlassungsbrief in den Händen hielten, konnten wir um 13 Uhr nach Hause fahren. Als Leo die Autoschale mit dem schlafenden Manu bei uns in den Flur stellte, lief Mian sofort hin, schaute hinein und rief: „Ein Baby!“
Obwohl die Geburt nicht schmerzfrei war, sind wir davon überzeugt, dass die umfassende Vorbereitung mit Hyponobirthing dazu beigetragen hat, dass sie für uns beide – bzw. uns drei – ein sehr positives Erlebnis war. Insgesamt hat die Geburt nur vier Stunden gedauert, von denen nur die letzten 30 Minuten wirklich schwer auszuhalten waren. Sicherlich haben die Auseinandersetzung mit der Theorie von Hypnobirthing, die gezielte Auflösung von Ängsten bezüglich der Geburt im Hypobirthingkurs mit Christiane und das Schauen von Filmen von Hypnobirthing-Geburten im Kurs eine wichtige Rolle gespielt, sowie auch das Lesen positiver Hypnobirthing-Geburtsberichte. Ich glaube, die tägliche Übung der Regenbogenentspannung und der Wellenatmung haben es meinem Körper und meinem Geist ermöglicht, der Geburt angstfrei zu begegnen, loszulassen und in die Kraft der Natur zu vertrauen. Für Leo und mich hatte auch die Übung „Sich in sein Kind verlieben“ zum vorgeburtlichen Elternsein eine sehr ermutigende und vertrauensfördernde Wirkung. Bestimmt hat auch die geburtsvorbereitende Akupunktur einen wertvollen Beitrag geleistet.
Diese Geburtserfahrung hat mein Bewusstsein meiner Verbundenheit mit der Natur gestärkt und mich meine eigene tiefe innere weibliche Kraft spüren lassen.
Von Lisa